
(c) Ullstein
In letzter Zeit läuft es nicht so rund mit der Lektüre; ich breche erstaunlich viele Bücher ab, die mir vorher absolut lesenswert erschienen. Zwei Bücher lese ich bereits seit März in kleinen Häppchen (Austers 4321 und Wulffs Humboldt-Biografie); vielleicht auch daher stockt es auch hier im Blog. Doch manchmal ist doch was dabei, man mag es schon fast nicht glauben.
Sehr gemocht habe ich zuletzt ‚Das letzte Bild der Sara de Vos‘. Viele mag das Buch abschrecken, geht es doch um Kunst, Malerei um genau zu sein. So richtig hat mich der Klappentext auch nicht überzeugt, doch machte mich das grandiose Cover neugierig, welches nur richtig zur Geltung kommt, wenn man das Buch in der Hand hat – no offense.
Ich fing einfach an zu lesen und die Geschichte kann wirklich was, ignoriert mal den Klappentext – da hat sich der Verlag in meinen Augen keinen Gefallen getan. Der Plot setzt sich aus drei Zeitebenen zusammen und springt zwischen diesen immer wieder hin und her.
Wir starten im New York der späten 50er Jahren: Marty de Groot entdeckt eines Tages zufällig, dass das Gemälde über seinem Bett, ein Erbstück, dass schon seit über 300 Jahren in der Familie ist, gegen eine sehr gut gemachte Fälschung ausgetauscht wurde. Zuerst fühlt er sich beinahe erleichtert, war doch das Motiv eher düster und lag wie ein Schatten über seinem Leben. Doch dann packt ihn doch der Ehrgeiz und er will das Gemälde zurück. Mit Hilfe eines Detektivs macht er sich auf die Suche und stößt tatsächlich bald auf eine Spur, wenn auch nicht die der Diebe, sondern die der Fälscherin, einer jungen Kunststudentin.
Es wird jetzt parallel vom Leben und Schaffen der Malerin eben jenen Gemäldes erzählt, der titelgebenden Sara de Vos, die eine der ersten Malerinnen war, die in den Niederlanden des 17.Jahrhundert der entscheidenden Gilde beitreten durfte und demnach auch Bilder offiziell verkaufen konnte. Wir lernen sie kurz vor dem Erschaffen des Gemäldes kennen, als sie durch einen Schicksalsschlag plötzlich vor dem Aus steht.
Und schließlich bringt uns der dritte Erzählstrang beinahe in die Gegenwart: im Jahr 2000 soll eben jene Fälscherin, jetzt als Kuratorin bei einem großen Museum in Sydney angestellt, eine Ausstellung zu niederländischen Malerinnen des 17.Jahrhunderts organisieren und hier ist es, das die Vergangenheit sie einholt. Es sind zwei identische Gemälde auf dem Weg nach Sydney, das Original und die von ihr vor über 40 Jahren angefertigte Fälschung.
Dominic Smith erzählt das alles so dicht, dass er mich im Gegensatz zu derzeit vielen anderen bis zum Schluß in den Bann der Geschichte zog. Das Buch mag keine weltbewegende Hochliteratur sein, nein eigentlich ist es etwas viel besseres, es ist grandiose Unterhaltung, ein für mich perfekter Mix aus Privat-Eye-Story in den späten 50ern mit einer Prise Mad Men (de Groot ist Anwalt und bewegt sich sicher in ähnlichen Kreisen wie Don Draper), historischem Roman der Lust macht auf die düster-schönen Gemälde der großen und auch der unbekannten niederländischen Maler, und schließlich die alles vereinende Gegenwartsebene.
Besonders begeistert hat mich die historische Ebene und das Schicksal der Sara de Vos, aber auch die 50er Jahre-Story mit dem etwas drögen Marty de Groot, der eigentlich besser dran ist ohne das Bild, der sich aber dann in eine Geschichte verstrickt, die ihn zu einem doch eher miesen Burschen macht. Nicht zuletzt beinahe eine Seltenheit: zwei starke Frauenfiguren, die trotz großer Widrigkeiten und Rückschläge ihren Weg konsequent gehen.
Also lasst euch nicht vom Klappentext abschrecken, lest einfach mal rein. Kann ich nur empfehlen!
ISBN 9783550081873
Erschienen im Ullstein Verlag, März 2017
Aus dem Englischen übertragen von Sabine Roth
Originaltitel: The last Painting of Sara de Vos
350 Seiten, gebunden
€ 20,00
P.S. Passt gerade sehr gut: Bücher über Kunst.